Über Fiona Apple

iFiona
Apples außergewöhnlichste Maschine

Musik entsteht in Teams. Heute mehr denn je wird sie an allen Ecken und Kanten optimiert. Künstler*innen verstehen sich als Kopf eines Kreativteams, der auf dem schmalen Handybildschirm mit dem Produkt nach draußen geht.
Moderne Künstler*innen sind PR-Agent*innen in eigener Sache.Fiona Apple hat seit 2012 keinen PR-Agenten mehr.

Als FETCH THE BOLT CUTTERS erscheint, gibt es in Deutschland kein Cover auf dem Apple zu sehen ist. Es gibt keine Zoom-Interviews und keine Instagram-Lives. Fiona Apple will das nicht. Kann das nicht. Wenn dann will sie sich ganz einlassen auf Gespräche. Sie trifft wenige Journalistinnen. Emily Nussbaum vom New Yorker, lädt sie zu sich nach Hause. Zeigt ihr ihre Band und ihre Notiz-und Tagebücher. Lässt sich umgeben von Hunden und Hühnern im Garten fotografieren. Ganz nah, oder gar nicht.

FETCH THE BOLT CUTTERS ist das erste Album von Apple seit 2012. Sie singt über fancy industry dinner („Under the table“), auf die sie keine Lust hat, und auf denen sie ihre Klappe nicht hält, wenn dort Dinge gesagt werden, die sie wütend machen. Kein Wein, singt sie, kann ihr Feuer löschen. 2021 ist FETCH THE BOLT CUTTERS für zwei Grammys nominiert. Eine Woche vor der Verleihung erscheint auf der Tumblr-Fanseite „Fiona Apple Rocks“ ein Handyvideo, in dem Apple sagt, sie gehe da nicht hin, zu den Grammys. Nicht weil sie gegen die Grammys etwas habe, doch, doch das habe sie auch, aber das sei nicht der Grund, warum sie nicht gehe, der Grund sei: sie sei nicht gemacht für Fernsehen, ertrage den Vergleich mit anderen Menschen nicht. Sie wolle nüchtern bleiben. FETCH THE BOLT CUTTERS gewinnt Best Alternative Music Album. Wahrscheinlich wusste die Grammy-Jury, würde Apple nicht gewinnen, würde man sich auch irgendwie lächerlich machen. Weil FTCB ein Album ist, dem der Platz in der Jahrzehntbestenliste jetzt schon sicher ist. 10/10 bewertet Pitchfork.„A monumental album“ NPR.

Fiona Apples fünftes Album ist anders als die Masse, die es umgibt. Ist nicht wasserdicht. Trägt Löcher so eigen, dass sie in den Hörer hineinfließen. Es wird auf Stühle geschlagen, mit Samen und Knochen geraschelt. FETCH THE BOLT CUTTERS ist Einstürzenden Neubauten in unaffektiert. Denn Fiona Apples Stimme scheint nichts Gewolltes aufzuführen, sondern sich in einem zum Glück eingefangenen, perfekten Moment bis zur Erschöpfung auszutönen. Die Zeilen kosten und geben Kraft. Apple verspielt sich auf dem Album. Fuck, sagt sie, und man hört es. Sie sampelt „Fehler“ wie das Bellen ihrer Hündin Mercy. Und die „Fehler“ werden die Musik. Die einen, wie mit einem Bolzenschneider, aus der eigenen Isolation 2020 herausschneidet.

Im Industrie-Jargon gesprochen ist FETCH THE BOLT CUTTERS ein Fiona-Apple Download, das man sich auf den Körper ziehen kann, um zu „spreaden“ wie „Strawberries“. („Heavy Balloon“) Aber wo genau spreadet man da hin, was zieht man sich auf den Körper?
Es ist das Empfinden einer Frau, die wie sie selber sagt, kein Schutzschild hat. Die immer wieder Metaphern dafür findet, wie sie verkabelt ist. Ikonisch der Oktopus auf ihrem Kopf, im Video zu „Every Single Night“ (2012). In dem sie von Schmetterlingen, wie kleinen weißen Flammen singt, die in ihr Gehirn fliegen, ihre Wirbelsäule nach unten sickern in ihren Bauch, der anschwillt und sie nicht halten kann, die Gefühle, den Schmerz, der ihren Körper durchzieht, wie ein zweites Skelett.

Oktopusse haben neun Gehirne. Fiona Apple ist fasziniert von neurologische Anomalien. Emily Nussbaum schreibt im New Yorker, wie Apple Gehirn-Scans über den Boden ihres Heimstudios in Venice Beach verteilt. Im „Every Single Night“-Video sitzt ein Oktopus auf ihrem Kopf, ein anderer – riesiger – lauert ihr neben einer Brücke auf, darauf bedacht diese Brücke – auf der Apple geht – einzureißen.

Während eines fancy industry dinners würde es vermutlich heißen: Apple verarbeite in ihrer so poetischen wie perkussiven, ja nervös durchklopften und irgendwie in Jazz und Broadway fußenden Musik ihre Ängste, Zwangsstörung und Depression. Ihr Exfreund, der „Bored-to-Death„-Autor Jonathan Ames, nannte Apple mal einen negativiy juicer also eine „Negativ-Presse“. Sie solle den Schmerz doch aus ihrem Leben zu bannen, riet er ihr. Da gibt es doch Bücher, die einem dabei helfen können. Und Apple wehrte ab. Sie glaube nicht an diese Art Selbsthilfe, die einem unter dem Strich doch nur sage, dass man selbst schuld sei – am Schmerz. Und ist Kunst nicht immer sowohl Selbstzweck als auch Mittel, um mit der Welt klar zu kommen? Sie anzuklagen, abzumalen, zu bewältigen?
Was bewältigt Fiona Apple?
We don’t want your tiny hands, anywhere near our underpants“, schreibt sie 2017.
Tiny Hands“ ist ein Sprechchor, den für den Women’s March gegen Trump auf Soundcloud hochlädt.
Zerstört was Euch zerstört.

Fiona Apple McAffee-Maggart ist 12, als sie in dem Flur vor ihrer Wohnung vergewaltigt wird. Währendes der Vergewaltigung, das erzählt sie in vielen Interviews immer wieder, hört sie die Hunde in ihrer Wohnung bellen. Apple ist die Tochter einer Tänzerin und eines Musicaldarstellers, die sich beim Proben am Broadway kennenlernen. Sie trennen sich als Apple 4 Jahre alt ist. Sie und ihre Schwester bleiben bei der Mutter in New York, besuchen aber häufig den Vater mit seiner neunen Frau und fünf Kindern in Connecticut. Die neue Frau des Vaters will, dass sich alle Kinder untereinander gut verstehen. Apples Mutter aber – Diana McAfee – wurde nie nach Connecticut eingeladen, erinnert sich im Apple im Gespräch mit Emily Nussbaum.
Journalist*innen behandelt Apple wie Theraput*innen. Im Interview mit SPIN erzählte 1997 sie, dass sie in der Gegenwart von Journalisten mit Absicht aufdrehe, damit die sie nicht wieder fragten: Wie kann eine so große Stimme aus so einem kleinen Mädchen kommen?
Oder: Ich hab gehört, du wurdest vergewaltigt. Wie war das?

Das Singen begann sie als Kind. Nachts. Wenn sie nicht schlafen konnte, sang sie sich Maya-Angelou-Gedichte, um sich zu beruhigen: „Pickin’em up, and layin‘ them down, getting to the next town“ Sie sagt, Angelou sei ihr größter Einfluss. Da sei Musik in ihren Zeilen. Apple lernt Klavierspielen. Hörte Billie Holliday und Bill Withers. Ella Fitzgerald und Joan Armatrading. Ihr Vater zieht weiter nach Los Angeles. Seine Tochter schreibe schwer verständliche Songs und Gedichte über die Dunkelheit, sie machen ihm Angst, sagt er dem Rolling Stone 1998. Es ist die Ausgabe auf der seine Tochter im Wasser neben einer Schlagzeile liegt, die klingt wie ein Pornotitel:
Getting in deep with Fiona Apple.
Wenige Jahre vorher – Apple ist 16 – hilft ihr ihr Vater drei Songs aufzunehmen. Einer heißt: „Never Is A Promise“. Über einen Babysitter landen die Songs bei Andrew Slater von Sony. Alanis Morissettes JAGGED LITTLE PILL war gerade erschienen. Jewel und Joan Osborne liefen im Radio. Slater ist überzeugt, bucht eine Band und ein Studio. Und TIDAL entsteht. Slater hatte damals sofort eine Idee, wie Fiona Apple – das Produkt – sein sollte. Sexy „Sullen Girl“. Denn einer ihrer Songs heißt doch „Sullen Girl“. In den Interviews – damals waren es etliche – erzählte das Sullen Girl dann, worum es geht in dem Song: die Vergewaltigung mit 12.

Ihr offener Umgang mit der Gewalt, die sie erfahren hat, machte ihre Geschichte lauter als ihre Musik. Denn man sprach damals nicht drüber, wie alltäglich sexuelle Gewalt ist. Es war ein Reizbild: die sexy, kaputte Frau. Das Genie, das den Hit der Platte „Criminal“ innerhalb weniger Minuten geschrieben hatte, weil die Plattenfirma „gerne noch einen klassischen Hit haben wollte“, fiel dahinter zurück. Ihr Image war lauter, viel lauter als TIDAL. Dem Album auf dem die Neunziger Jahre in einem Piano-Bach zusammenliefen, der sich durch jazzige Songs schlängelt, getragen von einer jungen, dunkeln Fiona-Apple-Stimme. Sie sang so schön, wie sie es nie wieder versuchen wird. Versuchen werden müssen wird. Denn TIDAL ist das Album auf dem Apple sich noch selbst misstraut. Ist sie liebenswert, fragt sich die Platte, so liebenswert, wie die anderen da draußen? Never Is Promise, der Song von ihrem Tape hat es auf das Album geschafft. Ihre nächtlichen Notizen werden nun von einem Van Dykes Parks Streicherarrangement untermalt.
You’ll never feel the fever of this song“, singt Apple.
Und behält Recht. Denn in den Zeitungen ist sie das sexy girl, dass bei den MTV Awards unartig war. Sie wehrt sich auf der Bühne. Liest die Artikel vor, die ihre Konzerte ankündigen und karikieren. Diese Welt ist Bullshit, hatte sie bei den MTV Awards 1997 gesagt. Es gab Buh-Rufe. Was maßte sich diese Frau an? Auf ihrer Website erscheint eine Rechtfertigung: „Als ich gewann (…) fühlte ich mich wie ein Sell Out. Ich verdiene Anerkennung, aber ich bekam diese Anerkennung aus den falschen Gründen. Ich hatte das Gefühl, dass all die Menschen, die sich eigentlich einen Scheiß für mich interessieren, nun versuchten mir nahe zu sein (…), aber nicht auf Grund meines Talents, sondern weil ich es, mit der Hilfe meiner Plattenfirma, Make-up-Artists, Stylisten und der Presse geschafft hatte, die Illusion zu kreieren, dass ich perfekt bin (…)“
Apple fühlte sich wie ein Verräterin an ihrer eigenen Art.
Dog nannten sie die Kinder in Schule, weil sie so anders war.

Der Titel ihres zweiten Albums, dass immer nur WHEN THE PAWN… genannt wird, ist ein Gedicht. Eine 444 Zeichen lange Antwort, auf die Leserbriefe zu Apple in der Musikzeitung SPIN. Das Gedicht endet in: Und wenn du weißt, wo du stehst/ dann weißt du wo du landest/ Und wenn du fällst wird das nicht schlimm sein, denn du wirst wissen dass du recht hast
Es ist ein Mutzuspruch sich nicht verunsichern zu lassen. Von Leserbriefen, den Anderen. WHEN THE PAWN…. Songwriting ist abstrakter. Wütender. Ihr Produzent Jon Brion und sie experimentieren mit Drum Loops. Denn es sind die Beats aus denen Apple Musik macht. Ihre Songs entstehen aus Schritten. Wanderungen. Ihrem Puls bei der Steigung, dem Rascheln der Blätter unter ihrer Sohle. In Fast As You Can singt Apple, dass ein Mann, vor ihr weglaufen soll, so schnell, wie er nur kann, denn sie sei crazy, sei ein beast. Dann werden die gehetzten Drums von Saiten verdrängt. Sie sei müde, singt Apple aufeinmal soft. Müde von all den Warums, sie ersticke an ihnen, was sie brauche sei ein: weil. Ein Grund. Ein Ort zum Anschmiegen. Aber die Drums jagen sie wieder weg. Sie weiß es. Sie wird jede Verbindung wieder einreißen. Abreißen. Der Song endet.
Paper Bag ist ein Rag Time. Musik, also die auch aus Märschen entstand. Alten Militärinstrumenten, die Schwarze in New Orleans aufkauften. Sie spielten auf Trauermärschen. Beerdigungen. Fiona Apples „Paper Bag“ ist Enttäuschung in Zeilen so perfekt, dass es schon eigenartig ist, dass sie uns nicht massenhaft von T-Shirts und Feuilletonschlagzeilen entgegenblicken. Sie singt über eine Beziehung mit einem Mann, den sie für eine Taube am Himmel hielt, aber es war nur eine Papiertüte. Er konnte nicht bei ihr bleiben, ihre Hände nicht halten, weil sie zu sehr zitterten.

He said „It’s all in your head“
And I said „So’s everything“
But he didn’t get it

In dem Podcast „WTF with Marc Maron“ sagt Fiona Apple, dass Männer mit denen sie eine Beziehung eingehe, sie oft „creature“ nennen – also ein Wesen. Apple geht wieder einen Schritt weiter, nennt sich – und ihr drittes Album – eine EXTRAORDINARY MACHINE. Ein Album, das zunächst drohte ihr SMILE zu werden. Denn wieder nahm sie mit Jon Brion auf. Dieses Mal aber, sagt sie später in einem Interview mit Sacha Frere-Jones 2006, habe sie nicht gewusst, wie die Songs klingen sollten. Und so habe Brion freie Hand gehabt. Er hat etliche Streicher – ja, ganze Orchester – gegen Apples Songs anspielen lassen. Ihren Gesang in Instrumenten ertrinken lassen. Es klingt toll – gesteht man sich als Apple-Fan leicht beschämt ein, denn Apple selbst hat die Brion-Version von EXTRAORDINARY MACHINE, nie gemocht. Sie klingt wie eine herrlich dramatische Sturmversion von TIDAL. STORM SURGE würde ein Industry-Guy sie nennen. Aber in aller Sturmflut an Instrumenten wird Apples wütendes Spoken Word zu rund geschwaschen.

Zu Sacha Frere-Jones sagt Apple, sie habe kein Album in Eile machen wollen. Wäre EXTRAORDINARY MACHINE so erscheinen, wäre es Brions Album gewesen nicht ihres. Sie wollte die Songs also nochmal anders aufnehmen. Aber ihre Plattenfirma wurde skeptisch, sagte dann müsse sie jeden Song einzeln einreichen. Und Apple glaubte, das bedeute, dass die Plattenfirma nach jedem Song entscheiden würde, ob sie ihr Geld für einen nächsten geben würden Kreativen Einfluss der Plattenfirma wollte Apple nicht. Sie zog ihr Telefon aus der Steckdose. Ihre Fans sahen die Situation von Außen damals anders. Dachten Sony wolle EXTRAORDINARY MACHINE nicht veröffentlichen. Sie protestierten. „Free Fiona“ hieß eine Website. Die Brion-Version war im Internet aufgetaucht. Apple sagt, es habe sie angefühlt, als habe sich jemand durch ihre Unterwäschenschublade gekramt.
Sie im Intimstem beraubt.

2005 erschien ihre Version von EXTRAORDINARY MACHINE. Nun ist die Stimme, die die Songs navigiert. Die Streicher sind verschwunden, da ist weniger Dramatik, aber mehr Dringlichkeit: „I don’t want a home, I’d ruin that“, singt sie in „Better Version Of Me“Und:„Home is where my habitats, have a habitat.“
Nahe ihres Hauses in Venice gibt es einen Hügel. Sie besteigt ihn jeden Tag. Vier Stunden rauf, vier Stunden runter. Wandert bis das leicht zu reizende Netz, das sie ist, sich erschöpft. So, dass sie entspannen kann. Und ihre Knie so geschunden sind, dass sie monatelange Therapie benötigten. Apple sagt, sie glaubt, dass es gut ist Dinge zu verlieren. Manchmal. Wenigstens für eine Weile – dann lehre der Verlust einem etwas. Im Falle ihrer geschundenen Knie lernte sie, dass sich jede Wut auch immer gegen einen selbst richtet.

THE IDLER WHEEL … (2012) ist ihr Album das verzichtet. Nicht auf einen langen Titel, aber auf eine große Produktion. Es klingt rauer, roher als all ihre Alben zuvor. Es ist eine Zusammenarbeit mit dem Drummer Charley Drayton. Ein nervöser Herzschlag durchpocht die Platte. Überträgt die Applesche Ruhelosigkeit mit Songs wie „Daredevil“ auf die eigenen Glieder. „But don’t let me ruin me, I may need a chaperone“ singt Apple. Und erlaubt sich, dass ihre Stimme im Gefühlten bricht.
THE IDLER WHEEL… ist Apples isoliertestes Album. Dessen dahin rauschender Jazz von „Valentine“ einen erst beruhigt, nur um dann – in dem Moment, in dem man sich gerade sicher fühlt, sich traut die Körperspannung nachzulassen – wieder anzuziehen. Nachzubohren. Press Junkets gibt es seit diesem Album nicht mehr. Apple will sich auf ihre Fans verlassen, die Videos von ihren Auftritten ins Netz stellen.
Auge um Auge.
Und Mund zu Mund.
I root for you“, singt Apple.
Und zieht sich zurück in ihrem Haus in Venice Beach. Vermeidet das Außen, das so stark auf sie einwirkt. Sagt die Tour zum Album ab, weil ihr Hund Janet  gestorben ist. Er schlief immer mit ihr im Bett. Ohne den Hund findet sie in ihrem Schlafzimmer keinen Schlaf. Sie funktioniert das Zimmer zu einem Studio um. Früher war Musik machen Musiker*innen Anweisungen geben. Nun kann Apple selbst die Musik sein. Sie traut sich, weil keiner sieht, wie lange sie braucht, bis sie den Beat hat, den sie will. Sie kann tricksen. Mit Garage Band im Bett, ihre Comfort Zone zum Klingen bringen. Sie bespannt Boxen mit Gummibändern, füllt leere Ölkanister mit Dreck. Und röstet Samenschoten im Ofen, so lange bis rascheln. Und selbst Janets Knochen, in einer weißen Box, bringt Apple zum Rascheln. Im Fernsehen läuft die Serie „The Fall“. Gillian Anderson sagt: „Fetch the bolt cutters“. Und Apple notiert das. Geht während der MeToo-Bewegung die Wände rauf, und ihre eigenen Beziehungen mit Frauen durch. Warum hat sie in der Vergangenheit versucht mit den neuen Freundinnen ihre Ex-Freunde befreundet zu sein? Sie hatte im Leben ihrer Ex-Partner nicht Bedeutung verlieren wollen, erkennt Apple. Singt „Ladies, Ladies, Ladies“ und streckt die Hände aus. Denn sie weiß, es ist Angst, die einen in einem geschlossenen Raum hält. Sie findet sich eine Band – die Schlagzeugerin Amy Aileen Wood, den Bassisten Sebastian Steinberg und den Percussionisten David Garza – um mit ihnen im Haus herumzuspielen arglos wie Kinder. Mit Stühlen und Hundehalsbändern hat Fiona Apple Perfektion, Angst und Isolation zerschlagen. Wenigstens für den Moment. „Every single step I left on the track has led me here“, singt Fiona Apple auf FETCH THE BOLT CUTTERS. Dem Album, auf dem sie die Balance aus Abgeschiedenheit und Miteinander im Herz getroffen hat.

 

(Erschienen 2021 im Musikexpress)